Empirische Daten, bei deren Gewinnung es nicht mit "rechten Dingen" zugeht, können keine Belegkraft haben und sind damit wertlos. Allgemeine wissenschaftliche Methoden wie Beobachtung, Messung und Experiment sowie ihre konkreten einzelwissenschaftlichen Spezifikationen setzen daher ebenfalls die Gültigkeit des Naturalismus voraus. Mit anderen Worten: Beobachtung, Messung und Experiment verlieren ihren Status als empirische wissenschaftliche Methoden, wenn sie beliebiger supranaturalistischer Manipulation unterliegen können. Daher kann der Naturalismus nicht mit solchen empirischen wissenschaftlichen Methoden widerlegt werden. Allen- falls könnten sich diese Methoden als unbrauchbar erweisen, etwa indem sie beliebige Daten liefern, die keinerlei Regelhaftigkeit erkennen lassen. Auch könnte der Naturalismus scheitern, indem wir die Welt plötzlich so vorfänden, wie sie im zeitgenössischen Kino- und Fernseh-Gruselgenre gezeichnet wird, wo Vampire, Dämonen, Erzengel usw. aus und ein gehen und Dinge tun, die man nur als Wunder betrachten könnte. Kein Wunder also, dass die Wirklichkeitswissenschaften so hartnäckig am ontologischen Naturalismus samt Sparsamkeitsprinzip festhalten. Denn lassen sie auch nur eine einzige supranaturalistische Ausnahme zu, dann ist der Forderung nach immer stärkerer Erweiterung des Naturalismus in Richtung Supranaturalismus Tür und Tor geöffnet (Kanitscheider 1996). Wir hätten es mit einer schiefen Bahn, wenn nicht gar einem Dammbruch zu tun ... Denn die Übernatur müsste ja nicht auf Gott beschränkt sein. Es lassen sich beliebig viele übernatürliche Wesen- heiten postulieren: Wenn man den Teufel einführt, darf man auch seine Großmutter zulassen usw. Der Supranaturalismus bringt also ein Proliferationsproblem mit sich: den unaufhaltbaren Wildwuchs von Entitäten, die Bevölkerung der Welt mit Beliebigkeiten. Der ontologische Naturalismus schließt somit aus guten Gründen die Existenz des Übernatürlichen aus. Er schließt jedoch nicht die reale Existenz immaterieller, aber natürlicher Entitäten aus, wie etwa mathematischer Objekte.

Bunge 2004, S. 11.