Zitate zu Kant

Gabriel: Kant als Vater des Übels der Postmoderne

"Wie Boghossian meint auch Meillassoux, dass Kant der Vater des Übels der Postmoderne sei, indem er Rationalität grundsätzlich als ein kontingentes System erscheinen lässt, zu dem ein anderes immerhin denkbar, wenn auch für Kant in seiner Existenz nicht erkennbar ist. Von Kant sind es nur noch einige kleine Schritte zu der Annahme, unser apriorisches Begriffssystem sei nicht etwa universal für das Wissen vom "Standpunkte eines Menschen" festgelegt, sondern kulturspezifisch verschieden."

Markus Gabriels Nachwort in Boghossian 2013, S. 141. 

Bibliographie

Gabriel: Wir haben Zugang zu den Dingen an sich

"Vielleicht stehen wir hier gearde an der Schwelle zu einem Paradigmenwechsel. Es gibt eine Gruppe von Philosophen vor allem in den USA, aber auch hier zu Lande, in Italien und Frankreich, die argumentieren, dass wir notwendig einen Zugang zu den Dingen an sich haben müssen. An die Kantthese in ihrer traditionellen Form glaubt eigentlich niemand mehr. Ich denke zum Beispiel, dass es Farben an sich gibt, nicht nur in unserer Wahrnehmung. ... Man muss unterscheiden, ob es Farbwahrnehmungen gäbe, wenn niemand sie hätte (natürlich nicht!), und ob es Farben gäbe, wenn niemand sie wahrnähme (natürlich schon!). S. 43.

Markus Gabriel in der Zeitschrift Gehirn und Geist Nr. 3/2014.

Kanitscheider: fatale Folgen Kants

"Kants Philosophie birgt in sich den Keim zur rationalen, wissenschaftlichen Philosophie, aber auch zum verhängnisvollen, obskuren (spekulativen) romantischen Idealismus. Die kopernikanische Kehre von Kants Erkenntnislehre hat die Subjektivierung und Spiritualisierung der Welt mit sich gebracht, die erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Eingriff der Naturwissenschaft wieder rückgängig gemacht wurde, wobei diese realistischen und empiristischen Naturphilosophen durchaus an den vorkritischen Kant anschließen konnten."

Kanitscheider 2007, S. 15.

Kant: dass alle unsere Erkenntnis...

"Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an."

Kant 1997, S. 1.

Mc Dowell: Kants Idealismus

"Ich denke, man muß zugeben, daß der transzendentale Rahmen Kants Philosophie idealistisch macht und zwar in der von mir angesprochenen Weise. Das steht in völligem Gegensatz zu Kants Absichten. Obwohl er das heftig bestreitet, so führt doch seine Philosophie zu einer Geringschätzung der Unabhängigkeit der Realität, zu der wir durch die Sinne Zugang haben. Was dafür verantwortlich ist, ist genau jene Seite der Kantischen Philosophie, die einigen seiner Nachfolger als Verrat am Idealismus vorkam: die Tatsache, daß er die Realität außerhalb der Sphäre des Begrifflichen ansiedelt. Diese Nachfolger machten geltend, daß wir das Übersinnliche aufgeben müssen, um einen konsistenten Idealismus zu erhalten. Und in der Tat rettet dieser Schritt Kants Einsicht, so daß er den im Common Sense zu findenden Respekt vor der Unabhängigkeit der gewöhnlichen Welt bewahren kann.

Meillassoux: Idealismus ist Nonsens...

"Warum ist diese Interpretation der Anzestralität offensichtlich unhaltbar? Nun ja, um dies zu verstehen, reicht es aus, dem Korrelationisten die Frage zu stellen: Was ist denn vor 4.56 Milliarden Jahren geschehen? Hat die Akkreszenz der Erde stattgefunden, ja oder nein?

In einem bestimmten Sinn ja, wird er antworten, da die wissenschaftlichen Aussagen, die ein solches Ereignis anzeigen, objektiv sind, d.h. in intersubjektiver Weise verifiziert werden. Nein aber, wird er hinzufügen, in einem anderen Sinn, weil der Referent dieser Aussagen nicht in der Weise, wie er hier naiv beschrieben wird, existiert haben kann - d.h. einem Bewusstsein nicht-korrelierend. Dann aber stoßen wir auf eine recht merkwürdige Aussage: Die anzestrale Aussage ist, insofern sie objektiv ist, eine wahre Aussage, deren Referent aber unmöglich so existiert haben kann, wie diese Wahrheit ihn beschreibt. Es ist eine wahre Aussage, die jedoch ein unmögliches Ereignis als wirklich beschreibt, eine "objektive" Aussage ohne denkbaren Gegenstand. Kurz, um es einfacher auszudrücken: Das ist Nonsens. 

Meillassoux 2008, S. 32.

Meillassoux: Wie konnte es so weit kommen...

"Was ist geschehen, dass es so weit kommen konnte? Was ist seit Kant in der Philosophie geschehen, dass die Philosophen - und wie es scheint sie allein - unfähig geworden sind, die kopernikanische Revolution der Wissenschaft als eine wahre kopernikanische Revolution zu verstehen? ... Warum ist die Philosophie, um die Wissenschaft zu denken, einem solchen transzendentalen Idealismus verfallen, anstatt sich, wie es nötig gewesen wäre, entschlossen an einem spekulativen Materialismus zu orientieren?"

Meillassoux 2008, S. 162.

Onfray: Ding an sich als antimaterialistisches Kriegsgerät

""Der Begriff eines Noumenons [eines Dings an sich] ist also bloß ein Grenzbegriff, um die Anmaßung der Sinnlichkeit einzuschränkgen" (ebd.). In gewisser Wesie ist das Noumenon die Polizei der kritischen Vernunft, da es deren Tun in den von Kant gesteckten Grenzen hält. Für den preußischen Lutheraner Kant musste die kritische Vernunft zwar frei sein, aber sie musste die Freiheit, die Unsterblichkeit der Seele und Gott aussparen, die nämlich Postulate der reinen Vernunft sind und ohne die eine christliche Welt unmöglich ist. Das Noumenon ist also ein antimaterialistisches Kriegsgerät."

Onfray 2011, S. 272.

Rosefeldt: Transzendentaler Idealismus

"In der Kritik der reinen Vernunft argumentiert Kant bekanntlich dafür, dass Raum und Zeit bloße Formen unserer sinnlichen Anschauung sind und raumzeitliche Eigenschaften folglich nicht den Dingen an sich, sondern nur ihren Erscheinungen zukommen. Dieser These gibt er den Titel „transzendentaler Idealismus“. Aus dem transzendentalen Idealismus folgt für Kant die Unerkennbarkeit der Dinge an sich, weil er annimmt, dass wir ohne Beteiligung unserer Sinne gar nichts erkennen können. Für den transzendentalen Idealismus führt Kant im wesentlichen zwei Argumente an. Das erste geht von der Annahme aus, dass wir von der raumzeitlichen Struktur der Welt a priori, d.h. unabhängig von der Erfahrung, Vorstellungen und Wissen haben, und versucht dann zu zeigen, dass dieser Sachverhalt nur dadurch erklärt werden kann, dass sich die Raum-Zeitlichkeit der von uns wahrgenommenen Welt nicht dieser Welt selbst, sondern der Struktur unseres Wahrnehmungsapparats verdankt. Das zweite Argument für den transzendentalen Idealismus soll zeigen, dass man nur mit Hilfe der These, dass die Dinge an sich nicht in Raum und Zeit existieren, bestimmte Probleme aus der philosophischen Tradition lösen kann, so z.B. das Problem der Vereinbarkeit von menschlicher Freiheit und kausaler Determiniertheit der Natur oder die sogenannten Antinomien des Weltanfangs oder der Teilung der Materie."

Willmann: Ding an sich

"Kant hat sich niemals darüber Rechenschaft gegeben, wie aus ihrem Ineinanderschieben ein Weltbild entstehen soll. Nach welchen Merkzeichen im Chaos der Empfindungen wenden wir denn die Raumform, nach welchen anderen die Zeitform, nach welchen die Kategorie der Substanz, nach welchen die der Kausalität an, und treffen wir unter den vielen Raumgestalten, Gruppierungen und Aufreihungen von Eigenschaften eine Auswahl? Oder sollen, wie Herbart ironisch fragt, die Dinge an sich die ihnen genehmen Formen, die, wie Kant sagt, in unserem Gemüte bereitliegen, sich nach Ermessen auswählen?" S. 334.

"Der Einwand, daß die Notwendigkeit der Urteile aufgehoben würde, wenn die "Dinge an sich" unter den gleichen Gesetzen wie unser Erkennen ständen, ist ganz nichtig; warum die Seinsformen kontingent und nur die Erkenntnisformen notwendig sein sollen, ist gar nicht abzusehen." S. 335.

"Die kantische Spekulation gleicht dem Magnetberge der Schiffersage, der alle Nägel und Klammern aus den Schiffen zieht, so daß die Planken zerfallend auf den Wogen treiben; sie nimmt alle formenden und ordnenden Elemente der Dinge für das Subjekt in Anspruch und läßt den Rest unbekümmert umtreiben." S. 336.

"Lösung der vier Antinomien: Das Ding an sich als Eines-Vieles, ποιόν-αποιόν, Grund-Ungrund, Möglich-Unmögliches ist ein mit so viel Widersprüchen behaftetes Unding, daß ein Denken, welches darauf geführt hat, selbst widersprechend und jedes Wahrheitsgehaltes bar sein muß." S. 339. 

Willmann 1979, div. Seiten.

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Willmann: Kant und Begriffe

"In diesem Messen mit doppeltem Maße ist Kant Meister; er wendet die Begriffe, wie er sie eben braucht,..."

Willman 1979, S. 328.

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Willmann: Kants Schreibstil

"Die Darstellung Kants ist trocken und pedantisch, durch neologsiche Ausdrucksweise und künstliche Systematik verdunkelt eine täuschende Hülle für die exzessiven und grundstürzenden Gedanken, welche den Nerv seiner Philosophie bilden."

Willmann 1979, S. 305. 

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Willmann: Kopernikanische Wende

"Dieser Vergleich ist ebenso schief wie anmaßend; was Kopernikus geleistet und was Kant versucht hat, steht geradezu im Gegensatze: Jener hat aus dem gangbaren Weltbilde ein subjektives Element ausgeschieden, Kant macht das ganze Weltbild zum Erzeugnis des Subjekts; Kopernikus weist uns eine bescheidenere Stelle im Kosmos zu als sein Vorgänger, Kant löst den ganzen Kosmos in unseren Vorstellungen auf. Die kopernikanische Lehre ist heliozentrisch, die kantsiche anthropozentrisch."

Willmann 1979, S. 314.

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