Zitate zum Skeptizismus

Feyerabend: Widerspruchsfreiheit als Dogma

„Theorien mit Widersprüchen sind aus den Wissenschaften auszuschließen. Dieser scheinbar ganz fundamentale Maßstab, den Rationalisten mit demselben gläubigen Enthusiasmus umarmen wie Katholiken das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariä verliert seine Autorität, sobald wir finden, daß es Tatsachen gibt, deren einzige adäquate Beschreibung einen Widerspruch enthält und daß inkonsistente Theorien fruchtbar und leicht zu handhaben sind, während der Versuch, sie widerspruchsfrei zu machen, oft zu nutzlosen und ungelenken Monstrositäten führt.“ 

Feyerabend 1980, S. 87.

Feyerabend unterschlägt hier, dass Heuristiken Widersprüche enthalten können, nicht aber wahre Theorien. Inkonsistente Theorien können sehr fruchtbar sein, sie enthalten aber offensichtlich noch Fehler, welche die Wissenschaft unter anderem mit Hilfe der Widerspruchsfreiheit zu eliminieren versucht. 

Descartes: cogito, e(r)go sum

„Nun hatte ich beobachtet, daß in dem Satz: „Ich denke, also bin ich.“ (frz. „Je pense, donc je suis“) überhaupt nur dies mir die Gewißheit gibt, die Wahrheit zu sagen, daß ich klar einsehe, daß man, um zu denken, sein muß.“.

http://de.wikipedia.org/wiki/Cogito_ergo_sum

Das "also" (französisch: donc; lateinisch: ergo) ist hier nicht ganz korrekt, wie später bemerkt wurde, da es sich um einen logischen Schluss handelt. Präziser wäre demnach der Satz: "Cogito, ego sum": frei auf deutsch übersetzt: im Moment des Denkens existiere ich. Noch präziser wäre: im Moment des Denkens existiert etwas Denkendes.

Augustinus: unmöglicher Zweifel

"Weil jedoch über die Natur des Geistes gehandelt wird, wollen wir aus unseren Überlegungen alle Kenntnisse ausscheiden, welche von aussen durch die Leibessinne gewonnen werden, und noch sorgfältiger unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, was, wie wir festgestellt haben, jeder Geist von sich selbst weiss und worüber er Sicherheit besitzt. Ob nämlich die Kraft zu leben, sich zu erinnern, einzusehen, zu wollen, zu denken, zu wissen, zu urteilen, der Luft zukomme oder dem Feuer oder dem Gehirn oder dem Blute oder den Atomen oder einem von den vier gewöhnlichen Grundstoffen verschiedenen fünften von ich weiss nicht welcher stofflichen Beschaffenheit, oder ob das Gefüge oder das geordnete Mass unseres Fleisches diese Vorgänge zu bewirken vermögen, darüber zweifelten die Menschen: der eine versuchte dies, der andere jenes zu behaupten.

Wer möchte jedoch zweifeln, dass er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Gewissheit haben; wenn man zweiifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiss man, dass man nicht weiss; wenn man zweifelt, urteilt man, dass man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln, dass, wenn es all dies nicht gäbe, er an keiner Sache zu zweifeln vermöchte."

Aurelius Augustinus, De Trinitate. Buch X, 10.14. Zitiert in Johann Kreuzer (Hg.). Aurelius Augustinus: De trinitate Lateinisch-Deutsch. Meiner Hamburg 2001. S. 119.

Meillassoux: Humes Problem

Quentin Meillassoux über Humes Problem:

"Worin besteht dieses Problem? Klassisch formuliert, lautet es so: Ist es möglich zu beweisen, dass die gleichen Ursachen auch in Zukunft die gleichen Wirkungen ceteris paribus, d.h. wenn sonst alle Dinge gleichbleiben, nach sich ziehen? Anders gesagt: Kann man nachweisen, dass unter gleichen Umständen die zukünftigen phänomenalen Folgen mit den gegenwärtigen identisch sein werden? Die Frage, die Hume stellt, betrifft daher unsere Fähigkeit zu beweisen, dass die physikalischen Gesetze in Zukunft diejenigen bleiben, die sie heute sind, oder, noch anders gesagt, unsere Fähigkeit, die Notwendigkeit der kausalen Verknüpfung zu beweisen." S. 116.

"1. Eine metaphysische Antwort auf die Frage Humes würde darin bestehen, die Existenz eines absoluten Prinzips zu beweisen, das unsere Welt regiert." S. 119.

"2. Die skeptische Lösung ist jene, mit der Hume seine eigene Frage beantwortet." S. 119.

"3. Der dritte Typ Antwort schließlich ist die transzendentale Antwort Kants, genauer, die objektive Deduktion der Kategorien, dargelegt in der Analytik der Begriffe in der Kritik der reinen Vernunft. … Kant sagt nicht, dass es absolut unmöglich ist, dass in Zukunft die Kausalität aufhört, die Welt zu regieren: Aber er sagt, dass es unmöglich ist, dass solch ein Ereignis sich manifestiert - und dies, weil nichts mehr Konsistenz besitzen würde, wenn die Kausalität aufhörte, die Welt zu regieren und daher nichts mehr vorstellbar wäre. … Die kausale Notwendigkeit ist demnach eine notwendige Bedingung für die Existenz des Bewusstseins und der Welt, die es erfährt. Anders gesagt: Es ist nicht unbedingt notwendig, dass die Kausalität alle Dinge bestimmt, aber wenn das Bewusstsein existiert, kann das nur sein, weil die Kausalität die Phänomene notwendigerweise bestimmt." S. 121f.

„Der Necessitäts-Schluss, der solch eine Argumentation trägt, lässt sich folgendermaßen formulieren: 

1. Wenn sich die Gesetze tatsächlich ohne Grund ändern könnten - wenn die Gesetze also nicht notwendig wären - würden sie sich grundlos regelmäßig ändern. 

2. Nun ändern sich die Gesetze nicht regelmäßig ohne Grund.

3. Folglich können sich die Gesetze ohne Grund nicht ändern: Anders gesgat, die Gesetze sind notwendig.“ S. 128.

„Wenn sich die Gesetze tatsächlich ohne Grund ändern könnten, wäre es außerordentlich unwahrscheinlich, dass sie sich nicht häufig - wenn nicht gar rasend schnell - änderten. Und dies in einem solchen Ausmaß, dass man - hier gehen wir von Hume zu Kant über - nicht nur sagen müsste, dass wir es schon gewusst hätten, sondern, dass wir niemals dagewesen wären, um es zu wissen - sosehr hätte das Chaos die Ordnung und die minimale Kontinuität, die von der Korrelation eines Bewusstseins und einer Welt erfordert wird, verunmöglicht. Die Notwendigkeit ist also zweifach bewiesen: einerseits durch die unvorstellbar unwahrscheinliche Tatsache der Stabilität, welche die Beständigkeit der Naturgesetze ist; andererseits durch die subjektive Rückseite dieser Beständigkeit, die das zur Wissenschaft befähigte Bewusstsein darstellt.“ S. 133.

Meillassoux 2008, div. Seiten

Knapp: Über Wahrheit

„Wenn richtig oder falsch lediglich Koordinaten innerhalb eines Weltbildes sind, was ist dann Wahrheit, und wie können wir sie erfassen?“ S. 134.

„Wahrheit ist die Qualität einer Beziehung, die sich immer wieder neu entfaltet. Sie ist etwas, das im Augenblick geschieht. Wir können sie nicht festhalten. Wir erfahren Augenblicke der Wahrheit auf ganz verschiedene Weise: als Tiefe, als Stille, als Lebendigkeit oder auch als Funkeln. Etwas zeigt sich auf eine Weise, in der es sich zuvor nicht gezeigt hat. In einem Wort, einem Kunstwerk, der Natur, einer philosophischen oder physikalischen Theorie oder auch in einer menschlichen Begegnung. Was Martin Heidegger als „offene Mitte“ bezeichnet, ist nicht leicht zu erfassen. Aus der Perspektive der feststellbaren Tatsachen ist es ebenso zart wie flüchtig. Es fällt durch das Netz unserer vertrauten Gedankenformen. Philosophen wie Martin Heidegger wird deshalb oft vorgeworfen, dass sie eine Sprache sprechen, die niemand versteht. „Offene Mitte“, was soll das denn bedeuten? Unsere vertrauten Worte und Satzstrukturen reproduzieren jedoch stetig das bekannte Netz unserer Gedankenformen. Ideen, die das Netz dieser Gedankenformen grundlegend verändern, können nicht in unserer vertrauten Sprache ausgedrückt werden. Neue Gedankenformen brauchen immer auch eine neue Sprache. Nur wenn wir uns Zeit nehmen, für diese neue Sprache ein Gefühl zu entwickeln, können wir das Netz unserer Gedankenformen verändern. Deshalb lohnt es sich auch für Laien, sich mit schwierigen philosophischen Texten auseinanderzusetzen. Gerade weil wir diese Sprache nicht sofort verstehen, öffnet sie uns eine Tür für neue Erkenntnisse.“ S. 136f.

Knapp 2011, div. Seiten.