Das Folgende basiert grösstenteils auf Auszügen aus dem Homöopathischen Arzneibuch von 1978 (genaue Angaben ganz unten). Es ist das amtliche Werk zur Homöopathie. Ein Auszug aus dem Vorwort:

"Der erste Teil des Homöopathischen Arzneibuches enthält die Allgemeinen Bestimmungen zur Herstellung homöopathischer Arzneimittel. Besonders hervorzuheben ist, daß sämtliche derzeit bekannten und in der Praxis eingesetzten homöopathischen Herstellungsvorschriften aufgenommen sind; dadurch regelt das Homöopathische Arzneibuch verbindlich das Herstellen aller Arzneimittel der verschiedenen gleichberechtigten Richtungen der besonderen Heilweisen, soweit diese Arzneimittel nach homöopathischen Verfahren hergestellt sind. ..."

Urtinkturen

Seite 15 "Frische Pflanzen sollen bei trockenem Wetter möglichst staub- und schmutzfrei gesammelt oder geerntet werden. Sie müssen frei sein von äußerlich erkennbaren Krankheiten, verwelkten oder abgestorbenen Teilen, größeren Beschädigungen, Fäulnis und anderen Veränderungen, die nicht artbedingt sind. Die für Pflanzenschutzmittel festgelegten Wartezeiten sind zu beachten. Eine Reinigung soll, falls notwendig, mit möglichst wenig Wasser ausgeführt werden. Vor der Weiterverarbeitung müssen die Reste des Wassers entfernt sein."

Dieser Abschnitt zeigt sehr schön, wie schwierig es ist, reine Urtinkturen herzustellen. Enthält die Urtinktur Reste von Pflanzenschutzmitteln oder unsichtbare Krankheiten müssten diese gemäss homöopathischem Weltbild mit potenziert werden. Dies dürfte nicht ohne problematische Folgen bleiben.

mögliche Trägermedien

Um die Urtinktur zu verdünnen, benötigt man Trägermedien. Dazu gehören insbesondere Äthanol in unterschiedlicher Reinheit und gereinigtes Wasser, insgesamt sind 35 Trägermedien aufgelistet.

Verdünnung und Potenzierung

Seite 20 „Flüssige Verdünnungen werden in Gefäßen hergestellt, deren Rauminhalt um mindestens ein Drittel größer ist als die aufzunehmende Flüssigkeitsmenge. Zur Potenzierung wird nach der jeweiligen Vorschrift verdünnt und jedesmal mindestens 10mal kräftig geschüttelt. Für jede Verdünnung muß eine eigenes Gefäß benutzt werden."

Es folgen ab Seite 22 46 Vorschriften, die zum Teil noch Untervorschriften umfassen, wie eine Urtinktur verdünnt werden soll. Als Beispiel soll Vorschrift 1 zitiert werden:

„Vorschrift 1:

  • Urtinkturen und flüssige Verdünnungen. Urtinkturen nach Vorschrift 1 sind Mischungen gleicher Teile Preßsaft und Äthanol 86 Prozent. Die fein zerkleinerten Pflanzen oder Pflanzenteile werden ausgepreßt. Der Preßsaft wird sofort mit der gleichen Gewichtsmenge Äthanol 86 Prozent gemischt. Die Mischung bleibt mindestens 5 Tage lang bei einer 20°C nicht übersteigenden Temperatur verschlossen stehen und wird dann filtriert.
  • Einstellung auf einen gegebenenfalls in der Monographie geforderten Wert
  • In dem oben erhaltenen Filtrat wird der Trockenrückstand bzw. der Gehalt bestimmt. Die zur Einstellung auf den vorgeschriebenen Wert erforderliche Menge Äthanol 43 Prozent (A1) wird nach Formel (1) errechnet.

  formel(1)

    • G= Gewicht des Filtrats in kg
    • No= in der Monographie geforderter Wert für Trockenrückstand oder Gehalt in Prozent
    • Nx = Trockenrückstand oder Gehalt des Filtrats in Prozent.
  • Das Filtrat wird mit der errechneten Menge Äthanol 43 Prozent gemischt. Nach mindestens 5 Tage langem Stehenlassen bei einer 20°C nicht übersteigenden Temperatur wird, falls erforderlich, filtriert.
  • Potenzierung
    • Die 1. Dezimalverdünnung (D 1) wird aus 2 Teilen Urtinktur und 8 Teilen Äthanol 43 Prozent,
    • die 2. Dezimalverdünnung (D 2) aus 1 Teil der 1. Dezimalverdünnung und 9 Teilen Äthanol 43 Prozent hergestellt. Entsprechend wird bei den folgenden Verdünnungen verfahren."

Herstellung am Beispiel Honigbiene (Apis mellifica)

Seite 188 "1 Teil lebende Tiere wird in einer geeigneten Flasche durch Zufügen von 1 Teil Äthanol getötet; nach Zugabe von 1 Teil Äthanol 30 Prozent werden die Tiere zerkleinert. Der Ansatz wird mit 8 Teilen Äthanol 62 Prozent versetzt und 14 Tage lang bei täglich 3maligem Umschütteln stehengelassen. Ohne Pressen wird die Urtinktur abfiltriert. Nach Vorschrift 4b werden die 2. und die 3. Dezimalverdünnung mit Äthanol 62 Prozent und die weiteren Verdünnungen mit Äthanol 43 Prozent hergestellt."

rituelle Potenzierung oder schlichte Verdünnung?

Gemäss dem Homöopathischen Arzneibuch von 1978 gibt es keine speziellen „Rituale" , welche bei der Vermischung von Urtinktur und Trägermedium angewandt werden müssen. Solche Rituale werden aber gerne beschrieben, beispielsweise im Buch „Komplementärmedizin: Alternative Heilmethoden unter der Lupe von Daniel Bouhafs (2011). Er schreibt auf Seite 86: „Die Homöopathie ist ein lebendiges Fossil: Das Herstellungsverfahren der homöopathischen Arzneimittel hat sich seit der Entstehung vor über 200 Jahren nicht verändert. Die verwendeten Substanzen pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs, die unverdünnt mitunter hochgiftig sein können, werden nach einem komplizierten Verfahren zu einem Auszug verarbeitet. Das Ergebnis ist die Urtinktur. Sie wird durch stufenweises Verdünnen mit Wasser und Alkohol und durch Verschütteln (Potenzieren) immer mehr von ihren materiellen Teilen befreit. Die neue Lösung wird jedes Mal mit zehn kräftigen Schlägen auf eine feste, aber elastische Unterlage verschüttelt. Diese besondere Form des Schüttelns soll die Wirkung des Mittels potenzieren. Durch das minutenlange Schütteln mit schlagenden Bewegungen soll die („Information» herausgelöst werden. Blosses Verdünnen allein zeigt nicht dieselbe Wirkung."

Ein Video zur Herstellung homöopathischer Mittel finden Sie auf der Website der deutschen homöopathischen Union (www.dhu.de) unter dem Reiter "Herstellung".

Quellenangaben

   Homöopathisches Arzneibuch 1. Ausgabe 1978 Gesamtausgabe. Diese Gesamtausgabe nach der Neufassung 1985 enthält die Teilbände HAB 1978, 1. Nachtrag 1981, 2. Nachtrag 1983, 3. Nachtrag 1985, 4. Nachtrag 1985. Amtliche Ausgabe. Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart, Govi-Verlag GmbH, Frankfurt. ISBN 3-7692-0932-X

   Bouhafs, Daniel. Komplementärmedizin: Alternative Heilmethoden unter der Lupe. Zürich 2011. ISBN 3-7253-0960-4