"Wenn uns das gelingt - und nun kommen wir zu meiner entscheidenden Behauptung -, gestehen wir dem Organismus gleichzeitig einen (zumindest) primitiven Geist zu. Die Frage nach dem Geist ist die Frage nach dem Leben. Die Biologie rückt das Lebewesen ins Blickfeld, doch überall dort, wo sich Leben entdecken lässt, können wir auch einen Geist ausmachen.

Meine Argumentation ist einfach. Wir können nicht beide Ansätze verfolgen. Wir können nicht sowohl die Existenz eines Organismus anerkennen und ihn gleichzeitig lediglich als Ort betrachten, an dem Prozesse oder physikalisch-chemische Mechanismen ablaufen. Und sobald wir den Organismus als Einheit betrachten, als mehr als einen reinen Prozess, erkennen wir ihn damit schon als Träger primitiver Handlungskompetenz, als Träger von Interessen, Bedürfnissen und Sichtweisen an. Das heißt, wir gestehen ihm ein zumindest rudimentäres Bewusstsein zu.

Die Frage nach dem Bewusstsein ist demnach die Frage nach dem Leben. Nun müssen wir verstehen, wie Leben in der Natur entsteht."

Noë 2010, S. 58f.