Zu Gemeinsame Abstammung

»Wie direkt die Stammesgeschichte uns innewohnt, kann man beispielsweise an der Entwicklung der menschlichen Embryonen ablesen. Zwischen dem 23. und 26. Tag entsteht ein Blutkreislauf mit einfachem Herzen, Kiemenbogenarterien und Kardinalvenen - als wolle sich ein Fisch entwickeln. Um den 24. Tag beginnt der »Fisch« zum »Lungenfisch« zu werden: es bildet sich eine Lungenknospe. Um den 34. Tag gliedern sich die »Brustflossen« in Ober- und Unterarm und formen eine Handfläche, die »Bauchflossen« werden entsprechend zum mehrgliedrigen Bein - augenscheinlich schickt sich ein Amphib an, zum vierfüßigen Landtier zu werden. Um den 42. Tag ist die Lunge in zwei Flügel aufgegliedert, die Kiementaschen verschwinden, der Embryo hat nun einen deutlich abgesetzten Schwanz, seine Hände und Füße sind einwärts gerichtet, während die Ellbogen und Knie nach außen gekehrt sind - wie dies bei Molchen, Salamandern und Reptilien der Fall ist. Um den 45. Tag zeigen Augenlider, dass ein Landwirbeltier im Entstehen begriffen ist - der Embryo könnte sich zu einem Krokodil oder Säuger entwickeln. Um den 60. Tag sehen wir dann auch äußerlich ein künftiges säugerähnliches Reptil: Die Extremitäten werden gedreht, die Ellbogen weisen nach hinten, die Knie nach vorn. Der menschliche Embryo durchläuft also in seiner Entwicklung den Weg von den Fischen über die Amphibien und die Reptilien zu den Säugern - mithin genau den evolutionären Weg, der einst zu uns Menschen geführt hat.« 

Welsch 2012. S. 85f