Wer eine Theorie aufstellt oder sich einer Theorie "anschliesst" findet oftmals plötzlich überall Bestätigungen dafür. Die Theorie scheint zu passen. Was nicht zur Theorie passt wird entweder ignoriert oder - passend gemacht. Gelingt dies nicht, kann immer noch zur "Donnerbüchse" gegriffen werden: mit dieser kann man zum Angriff übergehen und aufzeigen, dass wenn schon die eigene Theorie nicht passt, dies erst recht für die Theorie des Kontrahenten gilt.

aber es passt 1 (Selbsttäuschung)

Ob Kartenlegen, Kaffeesatzlesen, Wahrsagen, astrologisches Horoskop, biblische Prophezeiungen oder auch viele psychologische Erklärungen für Verhaltensweisen – es überrascht immer wieder, wie gut diese im Vorhinein gemachten Aussagen im Nachhinein zu „passen“ scheinen. Passt es aber, muss daran wohl etwas Wahres sein, auch wenn es schon ein wenig seltsam erscheinen mag, dass der Kaffeesatz die eigene Zukunft vorhersagen soll. Aber es gibt ja noch so vieles, was unerklärbar ist, weshalb es vielleicht ja doch möglich ist... (»Ausspielen der Mysterienkarte)

Dass man Belege für die eigene Theorie sucht und auch überall findet geschieht aber auch wissenschaftlichen Philosophen. Besonders eindrücklich zeigt sich das bei Alva Noë, einem Philosophieprofessor an der University of California Berkeley. Er stört sich in seinem Buch "»Du bist nicht dein Gehirn" zum einen nicht daran, dass seiner Philosophie gemäss Bakterien über ein Bewusstsein verfügen müssten, sondern findet auch überall Belege für seine Theorie. Er glaubt mit vielen Beispielen seine Theorie bestätigen zu können, findet überall Belege dafür, sie scheint zu passen. Bloss sind viele dieser Erklärungen sehr weit hergeholt, manche schlicht falsch und lassen sich die meisten Beispiele einfacher auf klassisch-wissenschaftliche Weise erklären (»Buchbesprechung: Du bist nicht dein Gehirn).

Solche Selbsttäuschungen basieren in der Regel darauf, dass sich vieles auf ganz unterschiedliche Art und Weise widerspruchsfrei erklären lässt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch jede "einleuchtende" Theorie den Tatsachen entspricht. So versuchen viele Menschen Strukturen im Erlebten zu finden, welche erklären, warum ihnen etwas widerfahren ist. Diese Eigenschaft führt oftmals dazu, dass Ereignisse mit falschen Strukturen erklärt werden: begegnet jemandem dreimal hintereinander bei einem Unglück eine schwarze Katze, wird diese für das Unglück verantwortlich gemacht – die Struktur scheint zu passen. Diese Erklärung wird dadurch verstärkt, dass die Person von dieser Erkenntnis an jedes Mal, wenn sie einer schwarzen Katze begegnet an Unglück denkt und wohl meist auch etwas findet, was soeben negativ geschehen ist. Die Erklärung scheint zu „passen“

Wahrsagerei funktioniert grundsätzlich gleich. Hat jemand mehrere Mal einigermassen korrekt die Zukunft aus dem Kaffeesatz gelesen, wird er nach und nach immer stärker daran glauben, über „übernatürliche“ Fähigkeiten zu verfügen. Jede Vorhersage wirkt fortan verstärkend, falsche Vorhersagen werden gerne damit abgetan, dass es eine gewisse Fehlerquote gebe, sie werden umgedeutet (»Versetzen der semantischen Torpfosten) oder schlicht ignoriert. Zudem wird jemand, der konkrete Ereignisse aus dem Kaffeesatz zu lesen versucht wohl bald frustriert aufgeben, wer aber nur vage Andeutungen macht („die Liebe meint es gut mit dir...“), wird regelmässig Erfolge feiern, seine Aussagen werden oft „passen“.

Die Struktur des „aber es passt“ lässt sich auch auf alternative „Heilmethoden“ anwenden. Wer beispielsweise im Moment der Einnahme eines homöopathischen Mittels (»Homöopathie) eine lang ersehnte Besserung von Symptomen erlebt, wird dies der jeweiligen „Heilmethode“ zusprechen. Denn offensichtlich „passt es“. (»Alternativmedizin)

Wer beispielsweise „erfolgreich“ Kaffeesatz lesen kann oder sich als „Heiler“ erlebt, wird das in sein Selbstbild einbauen. Er oder sie wird sich als etwas „Besseres“ fühlen, Stolz empfinden, Glücksmomente oder Machterfahrungen erleben, was dazu führt, dass Misserfolge erst recht ausgeblendet und Erfolge übermässig betont werden. Da man sich die Erfolge selbst nicht erklären kann, versucht man die „heilerischen“ oder „hellseherischen“ Kräfte mittels „höherer Mächte“ oder „feinstofflicher Kräfte“ zu erklären, welche nur „Auserwählten“ zur Verfügung stünden (»Esoterik, »Mysterienkarte) und welche die Wissenschaft nicht erklären könne. Dass gerade die entsprechende Person eine „Auserwählte“ oder ein „Auserwählter ist, wird oftmals damit gerechtfertigt, dass man selbst besonders moralisch lebe, sich besonders spirituell verhalte und oft bete oder meditiere, viel Leiden durchlebt und es deshalb verdient habe. Auch hier wird wieder so argumentiert, dass es am Ende „passt“.

Aber es passt 2 ("passend machen")

Eine ganz andere Form des „aber es passt“ Arguments wird oft in Zusammenhang mit weltanschaulichen Theorien verwendet. Viele Menschen, die von einem Glaubenssatz überzeugt sind, suchen nicht nur überall nach Bestätigungen dafür, sondern passen auch all das, was diesen Glaubenssatz in Frage stellt an diesen an. Bibelgläubige Christen finden immer eine Erklärung für alle Einwände und wenn es das lapidare "Gottes Wege sind unergründlich" ist. Eindrückliches Beispiel für diese Methode waren Anhänger der "Flat Earth Society", die noch bis ins 20. Jahrhundert Belege suchten, um ihre auf der Bibel basierenden Theorie zu "verifizieren". Um den eigenen Glaubenssatz nicht in Frage stellen zu müssen, wurde die Welt diesem Glaubenssatz angepasst. Besonders bekannt sind in diesem Zusammenhang auch die Kreationisten, welche die Entstehung des Grand Canyon mit der Sintflut erklären oder Dinosaurier zeitgleich mit den Menschen leben lassen, um ihren Glaubenssatz nicht in Frage stellen zu müssen.

Weit verbreitet ist diese Methode auch im Bereich der Alternativmedizin. So zweifeln beispielsweise Homöopathen auch dann nicht an ihrem Glaubenssatz, wenn empirisch gezeigt werden kann, dass die Homöopathie keine Erfolge zeigt, die über den Placeboeffekt hinausgehen. Ganz im Gegenteil reagieren sie auf Einwände wie jenen, dass im homöopathischen Präparat keinerlei Wirkstoffe mehr vorhanden sein können mit der Entwicklung abenteuerlicher Theorien: Wasser soll ein Gedächtnis haben, die Quantenmechanik werde die Erklärung liefern etc. Es werden also neue Theorien ohne empirische oder logische Basis entwickelt, um die Welt mit dem Glaubenssatz in Übereinstimmung zu bringen. Und plötzlich scheint es wieder zu passen.

Auch diese Denkform findet sich in (angeblich) wissenschaftlichen Büchern. Besonders eindrücklich in Frau Falkenburgs "Mythos Determinismus", wo Frau Falkenburg alle Register zieht, um Physik und Philosophie ihrem Grunddogma der »indeterminierten Willensfreiheit anzupassen.

Aber es passt 1 und 2

Vielfach werden auch beide Formen vermengt. So bauen beispielsweise viele Verschwörungstheorien darauf auf, dass ihre Theorie eine bessere Erklärung für ein Ereignis liefert als die offizielle Version. Die eigene Theorie scheint zu passen. Passt dann aber doch etwas nicht, werden die Einwände solange passend gemacht, bis die eigene Theorie wieder genügend bestätigt zu sein scheint.

Donnerbüchse

Wird in einer Diskussion offensichtlich, dass die eigene Theorie doch nicht so gut passt, wie man sich das gedacht hat, wird gerne zur "Donnerbüchse" gegriffen: es werden irrelevante, oftmals erfundene und unwahre oder zumindest schwierig zu beantwortende Gegenfragen gestellt, welche die gegnerische Theorie in Frage stellen und insbesondere den Kontrahenten in Verlegenheit bringen sollen. Ist schon die eigene Argumentation nicht wirklich überzeugend, soll gezeigt werden, dass dies auch für die Gegenseite zutrifft und deshalb zumindest „Gleichstand“ herrsche (vgl. auch »atomarer Erstschlag). Gerne wird dabei übersehen, dass auch wenn die gegnerische Theorie nicht stimmen sollte, dies nicht bedeutet, dass die eigene Theorie korrekt ist.

Diese Variante wird besonders gerne von Kreationisten verwendet. Wenn schon gezeigt werden kann, dass der Kreationismus "nicht passt", soll auch gezeigt werden, dass dies genauso für die Evolutionstheorie gilt. "Passen" aber beide Theorien nicht - dann hat der Kreationismus für seine Anhänger deshalb die besseren Karten, da Gott dahinter steht. Die Theorie, respektive das Dogma scheint damit wieder zu passen.

Die Donnerbüchse kann aber auch einfach verwendet, um von eigenen Argumentationsschwierigkeiten abzulenken. Es werden eifnach möglichst viele Schüsse abgefeuert in der Hoffnung, dass eines schon treffen werde (Zielscheibenfehler) – oder dass zumindest eines den aktuellen Kontrahenten trifft und dieser an der Evolutionstheorie zu zweifeln beginnt oder ins Stocken gerät. Danach erscheint der Kreationismus wieder in besserem Licht und mit geschickter Argumentation und durch Ausweichen bei Gegenargumenten kann der Kreationist Punkte sammeln, obwohl seine Theorie offensichtlich absurd und wissenschaftlich längst widerlegt ist (es wurden beispielsweise keine Spuren von Känguruhs, Pandabären, Pinguinen etc. zwischen dem Landungsort der Arche und den heutigen Lebensräumen gefunden...)

Dass jemand bei einem "Angriff" zurückschlägt ist natürlich nichts als normal. Es erstaunt deshalb auch nicht, wenn jemand, der permanent von der Wissenschaft in Frage gestellt wird scheinbar mit der gleichen Waffe "zurückfeuert". Dabei gibt es aber einen wesentlichen Unterschied: während die Wissenschaft in der Regel Widersprüche aufdeckt und parawissenschaftliche Vorstellungen eins ums andere mal empirisch widerlegt, versuchen diese in der Regel nur zu zeigen, dass auch die Wissenschaft Fehler enthält oder nicht alles weiss. Wissenschaftliche Erklärungslücken stehen aber nicht auf einer Stufe mit Theorien, die offensichtliche Widersprüche enthalten, deren empirischer Nachweis aussteht oder die einfach gut zu passen scheinen.

Ein wichtiger Unterschied ist auch, dass die mit der Donnerbüchse vorgebrachten Argumente meist Scheinargumente sind, die nicht den Kern der wissenschaftlichen Theorie betreffen. Es wird vor allem versucht, den Kontrahenten soweit zu bringen, dass er in einem (Neben-) Bereich Nichtwissen eingestehen muss (»atomarer Erstschlag). Dies geschieht früher oder später fast notwendigerweise, insbesondere wenn es um eine Diskussion mit einem geschulten Kreationisten geht. Dieser reklamiert in diesem Moment den Sieg für sich – auch wenn seine Ansicht längst widerlegt ist und es sich beim eingestandenen Nichtwissen keineswegs um eine grundsätzliche Widerlegung handelt. Die Gegenargumente werden meist einfach ignoriert, es wird ausgewichen oder „verdrängt“.