Zitate zur Willensfreiheit

Einstein: ich weiss nicht, was mit Willensfreiheit gemeint ist

„Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.‘“

Von https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille
– Albert Einstein : Ich vertraue auf Intuition. Der andere Albert Einstein. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin, Oxford, S. 176.

verurteilter Hahn

"1471 wurde in Basel ein Hahn angeklagt, weil er angeblich den Naturgesetzen zum Trotz ein Ei gelegt hatte. Gemäß dem Gerichtsurteil wurde er als verkleideter Teufel auf dem Scheiterhaufen verbrannt."

Aus: Nutella hat Lichtfaktor 9,7. S. 82.

Empiricus: über den Indeterminismus

"Moreover, if cause were nonexistent everything would have been produced by everything and at random. Horses, for instance might be born, perchance, of flies, and elephants of ants; and there would have been severe rains and snow in Egyptian Thebes, while the southern districts would have had no rain, unless there had been a cause which makes the southern parts stormy, the eastern dry. Also, he who assertes that there is no Cause is refuted; for if he says that he makes this statement absolutely and without any cause, he is positing Cause while wishing to abolish it, since he offers us a cause to prove the non-existence of Cause."

Sextus Empiricus. Um 200. Zit. in Koch 1994, S. 116.

Einstein: Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens

"Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort, der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will, begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind. Diese Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens, schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren"

Albert Einstein 1932. http://www.einstein-website.de/z_biography/glaubensbekenntnis.html, abgerufen am 25.2.2014

Born: Willensfreiheit

Max Born zu Albert Einstein:

"Der strikte Determinismus schien und scheint uns noch heute unvereinbar mit dem Glauben an Verantwortung und sittliche Freiheit."

"Ich finde eine deterministische Welt ganz abscheulich."

Einstein, Albert, Hedwig und Max Born. Briefwechsel 1919-1955. FaM 1982. S. 210, 212. Zit. in Koch 1994, S. 207, 208.

Peirce: Zufall als Freiheit

"Nun will ich annehmen, daß alle bekannten Gesetze sich dem Zufall verdanken und auf anderen beruhen, die weitaus weniger streng sind und sich ihrerseits wieder dem Zufall verdanken, usw. in einem unendlichen Regreß. Je weiter wir zurückgehen, desto unbestimmter wird die Natur der Gesetze. Hierin können wir die Möglichkeit einer unbegrenzten Annäherung an eine vollständige Erklärung der Natur sehen.

Zufall ist Unbestimmtheit, Freiheit. Aber das Wirken der Freiheit mündet in strengste Gesetzesherrschaft."

Peirce, Charles Sanders. Entwurf und Zufall. In: Charles S. Peirce. Naturordnung und Zeichenprozesse. Aachen 1988. S. 123. Zit. in Koch 1994, S. 130.

Zufall ist natürlich nicht Freiheit, das Wirken der Freiheit kann niemals in strengste Gesetzesherrschaft führen. Dies ist aber eine weit verbreitete Vorstellung.

Noë: Strafe für Tiere

„Im Europa des Mittelalters geschah es nicht selten, dass Haustiere wie beispielsweise Schweine und Esel wegen Mordes oder Ehebruchs vor Gericht standen. Bei einem urkundlich belegten Fall wurde eine Sau für schuldig befunden, den Sohn des Schweinehirten zu Tode getrampelt zu haben…. Einigen Schweinen wurde nachgewiesen, während des mit der Tat einhergehenden Tumultes gequiekt zu haben. Sie erhielten wegen Beihilfe ähnliche Strafen.“
Noë 2010, S. 52.

Klaus: Zufall: hätte anders sein können

"Ein Ereignis heißt zufällig, wenn es nicht mit Notwendigkeit aus einer gegebenen Gesamtheit von Bedingungen folgt, wenn es so, aber auch anders hätte sein können. Das bedeutet nicht, daß ein zufälliges Ereignis nicht kausal bedingt sei. Die universelle Gültigkeit des Kausalgesetzes erstreckt sich vielmehr auch auf zufällige Ereignisse; auch sie haben ihre Ursache."

G. Klaus, M. Buhr (Hg.). Philosophisches Wörterbuch. Leipzig 1974. Zit in Koch 1994, S. 102.

James: freie Handlung

"Wenn eine freie Handlung eine vollständige Neuheit ist, die nicht in meinem Ich, meinem frühern Ich, ihren Ursprung hat, sondern aus dem Nichts entsteht, wie kann ich, mein früheres Ich, dafür verantwortlich gemacht werden? Wie kann ich dann einen dauernden Charakter bekommen, der lang genug derselbe bleibt, um Lob und Strafe als Entgelt zu verdienen? Die Perlenschnur meiner Lebenstage zerfällt in eine Menge unverbundener Kügelchen, sobald einmal durch die verkehrte indeterministische Theorie der Faden der innern Notwendigkeit herausgezogen ist. ... Dieses Argument mag für den einzelnen Fall gute Dienste leisten, aber abgesehen davon ist es jämmerlich...."

James 1994. S. 73f.

Cording: erlernte Willensfreiheit

"Danach muss personale Freiheit in einem vielfach rückgekoppelten biographischen Erfahrungs- und Lernprozess individuell erst erworben werden und kann durch Krankheit vorübergehend oder dauernd wieder verloren gehen. Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit haben wir in dem Maße, wie unsere Entscheidungen durch personale Determinanten (mit-) geprägt werden, d.h. durch biographisch erworbene Lernerfahrungen, durch selbstkritisch-reflektierend gewonnene Einsichten und durch gedankliches Probehandeln anhand symbolisch repräsentierter Weltmodelle; dabei ermöglicht die mentale Antizipation der Konsequenzen von abzuwägenden Handlungsoptionen einen prospektiv rückgekoppelten Entscheidungsprozess. Auf diese Weise wird die Durchschlagskraft subpersonaler (z.B. artspezifischer) Handlungsimpulse zugunsten personal selbstbestimmter, zielorientierter Präferenzen reduziert, und die Befriedigung aktueller Bedürfnisse kann im Hinblick auf übergeordnete Ziele zurückgestellt werden."

Clemens Cording in Heinze 2006, S. 223.

Pauen: zufällige Wahl

"Wenn es nämlich ohne eine Veränderung der äußeren Umstände bei gleichbleibenden Überzeugungen gleichermaßen möglich ist, dass ich lüge wie auch dass ich die Wahrheit sage, dann hängt es offenbar nicht mehr von mir, also von meinen Präferenzen ab, welche der beiden Optionen tatsächlich zum Zuge kommt. Das aber wäre eine klare Verletzung des Urheberprinzips, die auch unsere Verantwortung für die ausgeführte Handlung beeinträchtigen würde. Letztlich hinge es nicht mehr von mir ab, ob ich lüge oder die Wahrheit sage, sondern von einem Zufall.

Orientiert man sich an dieser Interpretation, dann führt die Forderung nach alternativen Handlungsmöglichkeiten nicht zu einer stärkeren, sondern zu einer schwächeren Konzeption von Freiheit, einer Konzeption, die gegen eines der fundamentalen Prinzipien von Freiheit verstoßen würde. Will man daher an dem Prinzip der alternativen Möglichkeiten festhalten, dann muss man zu einer anderen Interpretation dieser Forderung gelangen.

Michael Pauen in Heinze 2006, S. 25f.

Cording: Kreativität

Ein weiteres Feld, auf dem wir personale Freiheit erleben, ist die Vielfalt unserer Handlungsoptionen und insbesondere unsere Fähigkeit, nicht nur zwischen uns vorgegebenen Entscheidungsalternativen auswählen, sondern diesen kreativ neue Alternativen hinzufügen zu können. Wenn etwa die Speisekarte eines Restaurants unseren Wünschen nicht entspricht, können wir das Restaurant auch wieder verlassen oder versuchen, den Koch dazu zu bewegen, uns eine Speisenfolge nach unseren Wünschen zusammenzustellen. Wir erfinden ständig Neues, das es in dieser Form noch nie gegeben hat – und zwar nicht nur, wenn wir ein Gedicht oder einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen, sondern auch, wenn wir uns in irgendeinem Slum aus Abfallresten eine neue Hütte bauen. Vergleichen wir z.B. die Evolution der menschlichen Architektur weltweit mit den genetisch vorprogrammierten Bauten der Bienen oder der Störche, so haben wir einen quantifizierbaren Maßstab für das Mehr an kreativen menschlichen Frei- heitsgraden – und die sind keineswegs nur subjektiver Natur, sondern objektiver Ausdruck unserer Fähigkeit, unsere Umwelt entsprechend unseren höchst individuellen Wünschen und Bedürfnissen kreativ umzugestalten.

Clemens Cording in Heinze 2006, S. 227.

Dennett: Sphex

"Wenn die Zeit des Eierlegens gekommen ist, gräbt die Wespe Sphex zu diesem Zweck ein Erdloch und sucht sich eine Grille aus, sticht sie, so daß die Grille gelähmt, aber nicht tot ist. Sie schleppt die Grille in das Erdloch, legt ihre Eier an ihr entlang, macht das Erdloch zu, dann fliegt sie weg und kehrt nie wieder. Zur fälligen Zeit schlüpfen die Wespenlarven aus den Eiern und fressen die gelähmte Grille auf, die nicht verfault ist, da sie in dem Wespen-äquivalenten Zustand des Tiefgefroren-Seins gehalten wurde. Für das menschliche Verständnis zeigt eine solche ausgetüftelt organisierte und offenkundig zweckmäßige Gewohnheit einen überzeugenden Anflug von Logik und Bedachtsamkeit - solange, bis weitere Details untersucht werden. Zum Beispiel hat die Wespe die Gewohnheit, die gelähmte Grille zu dem Erdloch zu bringen, sie am Rand liegen zu lassen, in das Loch hineinzukriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, herauszukommen und die Grille dann einzugraben. Wird die Grille um ein paar Zentimeter verschoben, während die Wespe innen ihre vorläufige Inspizierung vornimmt, wird die Wespe, wenn sie aus dem Erdloch herauskommt, die Grille zuerst zurück zum Rand bringen, aber nicht in das Erdloch zerren, und sie wird dann die vorbereitende Prozedur wiederholen und in das Erdloch kriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Wenn die Grille wieder ein paar Zentimeter weggeschoben wird, während die Wespe drinnen ist, wird sie die Grille noch einmal zum Rand bringen und wieder in das Erdloch kriechen zur letzten Überprüfung. Die Wespe kommt nie auf die Idee, die Grille direkt hineinzuzuzerren. Bei einer Gelegenheit wurde diese Prozedur 40 mal wiederholt immer mit dem gleichen Ergebnis."

Woolridge, D. The Machinery of the Brain. New York 1963. S. 82. Zit in Dennett 1986. S. 23.

Heinze: Umfrage zu Determinismus

"Nichols und Knobe (in press) etwa untersuchten, ob Studenten eher von einem indeterministischen oder deterministischen Universum ausgehen, welchen Einfluss die Annahme eines solchen auf ihre Einschätzung moralischer Verantwortlichkeit hat und welchen Einfluss Emotionen dabei haben. Die Autoren konnten zeigen, dass die meisten Studenten inkompatibilistische Intuitionen haben: Mehr als 90% der 41 Befragten waren der Ansicht, dass unser Universum vom indeterministischen Typus sei. Mit der abstrakten Frage konfrontiert, ob in einem deterministischen Universum Personen moralisch verantwortlich sind, antworten 86% mit Nein (eine inkompatibilistische Antwort). Wurden Sie allerdings mit einem konkreten Fall konfrontiert (Bill brennt sein Haus mit Ehefrau und 3 Kindern nieder, um mit seiner Sekretärin leben zu können), antworten 72% mit Ja (eine kompatibilistische Antwort). Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?"

Heinze 2006, S. 216.

Searle: Willensfreiheit und Quantenmechanik

"Es gibt eine Reihe von Theorien, die Bewußtsein und sogar Willensfreiheit in quantenmechanischen Begriffen zu erklären scheinen. Ich habe nie eine gesehen, die auch nur entfernt überzeugend war. ..."

Searle 2004, S. 20.

Voltaire: Willensfreiheit sinnlose Wortverbindung

"Der Wille ist [...] nicht ein Vermögen, das man frei nennen könnte. Freier Wille ist eine völlig sinnlose Wortverbindung, und der sogenannte indifferente Wille der Scholastiker, d.h. ein Wollen ohne Ursache, ist ein Hirngespinst, dessen Widerlegung nicht lohnt."

Voltaire, zit. in Franz M. Wuketits: Illusion freier Wille in Smalla 2011, S. 61.

Pauen: Ladendiebstahl (können)

Eine Person will einen Ladendiebstahl begehen.

"Wenn mir also die lückenlose Überwachung durch Ladendetektive gar keine Möglichkeit lässt, in einem Lebensmittelladen zu stehlen, statt die Waren zu bezahlen, dann ist es keine selbstbestimmte Handlung, wenn ich die Waren bezahle, statt sie zu stehlen: Ich könnte die Waren ja gar nicht stehlen. Anders ausgedrückt: Wenn ich die Waren unter diesen Bedingungen bezahle, anstatt sie zu stehlen, ist dies nicht auf mich, sondern auf die Bedingungen zurückzuführen, die den Diebstahl ausschließen. Wenn es aber umgekehrt auf mich zurückzuführen ist, dass ich die Waren bezahle, statt sie zu stehlen, dann kann dies eben nicht durch äußere Bedingungen festgelegt sein. Ich muss also die Waren auch stehlen können, selbst wenn ich sie faktisch bezahle."

Michael Pauen in Lampe 2008, S. 55f.

Kuhl: Indeterminismustäuschung

"Da das bewusste Ich seine eigenen Beschränkungen nicht kennt, ist zu erwarten, dass es seine Möglichkeiten überschätzt und den Beitrag des Selbst zu "seinen" Einsichten und Entscheidungen unterschätzt ... Daraus kann sich durchaus auch eine Indeterminismustäuschung ergeben, die darin besteht, dass das Ich alles Verhalten, das nicht von ihm selbst veranlasst ist, für "indeterminiert" hält. In diesem Falle gäbe es sogar einen psychofunktionalen Grund für die Attraktivität der philosophischen These, dass Willensfreiheit mit Freiheit von der kausalen Verursachung des Verhalten gleichzusetzen sei.

Julius Kuhl in Lampe 2008, S. 106f.

Planck: fehlendes Wissen

"Denn je genauere Einsicht wir in die kausale Bedingtheit unserer Willensmotive gewinnen, desto mehr schwindet das Gefühl der Verantwortung für die Folgen einer zu treffenden Willensentscheidung. Eine vollkommene Einsicht in die eigenen Willensmotive würde daher nach meiner Meinung die Freiheit des Willens geradezu aufheben. Wer alle seine Willensmotive nach Stärke und Richtung wirklich vollständig kennte, wäre der Mühe jeder weiteren Überlegung enthoben und würde die schließliche Entscheidung als notwendig empfinden."

Max Planck, zitiert in Nida-Rümelin 2005, S. 64.

Nida-Rümelin: Gewissheit über künftige Entscheidungen

"Subjektive Gewissheit bezüglich eigener zukünftiger Entscheidungen ist begrifflich ausgeschlossen. Das Ergebnis der Abwägung muss offen sein, damit überhaupt eine Entscheidung getroffen werden kann. Diese Feststellung ist logisch wahr."

Nida-Rümelin 2005, S. 51.

Nida-Rümelin: Lebensgeschichten

"Die traurigen Lebensgeschichten, die in Strafprozessen zur Entschuldigung des Angeklagten angeführt werden, sind nur dann relevant, wenn dieser Angeklagte aufgrund der damit einhergehenden psychischen Störungen nicht mehr voll zurechnungsfähig ist, wenn er nicht mehr imstande war, Gründe gegeneinander abzuwägen und sein Handeln daran auszurichten."

Nida-Rümelin 2005, S. 32.

Kant: Kausalität durch Freiheit

„Wenn ich jetzt (zum Beispiel) völlig frei und ohne den notwendig bestimmenden Einfluss der Naturursachen von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit samt deren natürlichen Folgen ins Unendliche eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur eine Fortsetzung der vorhergehenden Reihe ist. Denn diese Entschließung und Tat liegt gar nicht in der Abfolge bloßer Naturwirkungen und ist nicht eine bloße Fortsetzung derselben; sondern die bestimmenden Naturursachen hören oberhalb derselben in Ansehung dieses Ereignisses ganz auf, das zwar auf jene folgt, aber daraus nicht erfolgt und daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Kausalität ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden muss.“

Kant 1998, S. B478.

Kornhuber: Anfänge des Willens

"Die Anfänge des Willens liegen vor der Kultur, vermutlich im sozialen Jagen (Campbell 1970), bei dem jedes Inidivduum von der Zuverlässigkeit der andern abhängt, das also die Auslese von Selbstdisziplin fördert, einer Eigenschaft, die Affen nicht im gleichen Maß wie Menschen haben. Aber die beginnende Kultur, mit Hilfe der Sprache, hat die Entwicklung offenbar vorangetrieben. Kultur und Wille haben sich gegenseitig angeregt und geprägt, denn Kultur ist disziplinierte Zusammenarbeit, beruht also unter anderem auf Willen. Max Weber schrieb: Kultur beruht auf Wertentscheidungen; wir sind Kulturmenschen, weil wir mit Willen begabt sind, der Welt einen Sinn zu geben."

Kornhuber 2009, S. 11.

Briegel: Zufall und Freiheit

Frage: Verwechseln Sie in Ihrem Modell nicht die Begriffe Zufall und Freiheit?

Prof. Briegel: Die gespeicherten Erinnerungen sind in der Tat das Material, welches das künftige Verhalten des Agenten beeinflusst. Zufällige Variationen von Erinnerungen könnte man in der Tat als "sich nicht richtig erinnern" bezeichnen. Solche fiktiven Erinnerungen können aber auch eine Vorlage liefern, "wie es auch hätte sein können". Insofern liefern sie das Material für das Denkbare und Vorstellbare auf der Grundlage realer Erfahrungen. Wichtig ist dabei, dass diese Veränderungen nicht beliebig sind, sondern vom bewährten Erfahrungsschatz ausgehen. Werden solche Erinnerungen als Vorlagen für künftige Aktionen des Agenten herangezogen, wie es in unserem Modell der projektiven Simulation der Fall ist, dann definiert dies neue Handlungsoptionen. In unserem Modell erzeugt der Zufall also Optionen, ohne die es in der Tat keine Freiheit geben kann.

http://www.spektrum.de/alias/freier-wille/ohne-zufall-gibt-es-keine-freiheit/1168814; Interview vom 26.10.2012, abgerufen am 2.7.2013; Gerhard Samulat interviewt Prof. Briegel.

Koch: Willensfreiheit durch Quantenmechanik

"Die einzige reale Möglichkeit für eine freie Wahl im Sinne des Libertarismus besteht für den Geist darin, ein quantenmechanisches Ereignis statt eines anderen zu realisieren, wie von der Schrödinger-Gleichung vorgegeben. Angenommen, zu einem bestimmten Zeitpunkt kommt es an einer bestimmten Synapse zu einer Superposition zweier quantenmechanischer Zustände. es gibt eine 15-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Synapse aktiv wird und ein chemisches Signal über den synaptischen Spalt zwischen zwei Neuronen sendet, und eine 85-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass dem nicht so ist. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist jedoch nicht hinreichend, um zu entscheiden, was das nächste Mal geschieht, wenn ein Aktionspotenzial an der Synapse eintrifft. Alles, was man sagen kann, ist, dass wahrscheinlich keine Freisetzung erfolgen wird. ...

Nach unserer gegenwärtigen Interpretation der Quantenmechanik könnte ein Popper-Eccles-Geist diese idiosynkratische Freiheit ausnutzen. Der Geist könnte die Wahrscheinlichkeiten nicht verändern, könnte aber entscheiden, was bei jedem Durchgang passiert. Das Tun des Geistes würde stets verborgen bleiben, geheim, denn wenn wir viele Durchgänge betrachten, würde nichts Außergewöhnliches stattfinden: nur das, was nach den Naturgesetzen zu erwarten ist. Der bewusste Wille würde innerhalb der Zwangsjacke der Physik in der Welt agieren. Das Ganze würde sich nicht von Zufallsereignissen unterschieden. Wenn diese Spekulationen in die richtige Richtung zielen, wäre dies die maximale Freiheit, die dem bewussten Geist gewährt ist. Bei einer Entscheidung, die auf des Messers Schneide steht, könnte ein winziger Schubs in die eine oder andere Richtung den Ausschlag geben. Doch wenn ein Ergebnis deutlich wahrscheinlicher ist als ein anderes, wären die Einflüsterungen des bewussten Geistes zu irrelevant, um das Blatt zu wenden (vorausgesetzt, dass weniger wahrscheinliche Ergebnisse vom energetischen Standpunkt aus weniger begünstigt sind). Das ist eine magere, dürftige Freiheit, da der Einfluss des Geistes nur dann zum Tragen kommt, wenn die Ergebnisse mehr oder minder gleich wahrscheinlich sind."

Koch 2013, S. 185f.

Ulmschneider: Definition von Willensfreiheit

"Freier Wille ist die Fähigkeit des Gehirns, aus inneren Beweggründen heraus, also nicht aufgrund von reaktiven Reflexen (Fluchtreflex) oder äußerem Zwang, Handlungen vorzunehmen und unabhängige Entscheidungen zu treffen."

Ulmschneider 2014, S. 190.

Wegner: Erklärung von Willensfreiheit

"Wegners eindeutige und scharfsinnige Lösung dieses Rätsels beruht auf der Annahme, dass das Gefühl, das Sie von sich selbst als Subjekt der Entscheidung haben, eine großartige Illusion ist, die von Ihrem Gehirn erzeugt wird. Wegner zufolge trifft Ihr Gehirn jede Entscheidung in Ihrem Leben einschließlich dessen, ob Sie z.B. aufstehen und etwas sagen oder mit den Armen fuchteln sollten. Einen Sekundenbruchteil nach jeder Entscheidung tut Ihr Gehirn jedoch zweierlei. Erstens schickt es ein Signal an einen anderen Teil des Gehirns, der das bewusste Erlebnis generiert, dass Sie die Entscheidung getroffen haben, und zweitens verzögert es das Signal, das an Ihre Beine, Ihren Mund oder Ihre Arme geht. Infolgedessen erleben "Sie" das "Ich habe gerade diese Entscheidung getroffen"-Signal, sehen, dass Ihr Handeln mit diesem Signal übereinstimmt, und schließen fälschlicherweise, dass "Sie" am Steuer sind. Kurz, Sie sind das Gespenst in der Maschine."

Wiseman 2012, S. 191.

Riedel: Strafe und Verantwortung

"Wer die Tat der Person zurechnet, "erklärt" sie für schuldig und dementsprechend für straffähig. Die Strafe beruht auf dem Vergeltungsprinzip; sie ist nicht nur "an sich gerecht", sondern ein Recht es Schuldigen selbst, der darin seine "Freiheit" beweist. Im Unterschied dazu geht das neuere Strafrecht durchweg vom Prinzip der "Vorbeugung" und damit von einer streng deterministischen Interpretation des Zurechnungsbegriffs aus. Zwar ist auch hier unumstritten, daß die Praxis des Verantwortlich-Machens zur Einübung in soziales Verhalten unverzichtbar bleibt. Ihre Effektivität verdanke sich aber gerade der kausalen Determiniertheit des Handelns; zumindest "rechnet" jene Praxis mit einer solchen Determination (etwa durch Belohnung und Strafe), die ein "Motiv" dafür schaffen, sozial unerwünschte Handlungsweisen zu unterlassen, so daß sich als Umkehr des herkömmlichen Strafverständnisses ergibt: Drei ist, wer resozialisiert, d.h. mit Erfolg verantwortlich gemacht werden kann.

Die empirische Bestätigung für die Richtigkeit dieses Ansatzes, der sich in der Strafpraxis erst allmählich durchsetzt, bleibt noch abzuwarten. In konsequent-deterministischer Fassung führt er sich selbst ad absurdum. Wenn nämlich menschliches Verhalten ausschließlich über seine Folgen determiniert ist, läßt es sich nach dem System von Belohnung und Strafe von außen steuern. ... An die Stelle der IDee der Verantwortung tritt das Faktum der "Kontrollierbarkeit" als technisch realisierte Fremdbestimmung, vor der die Ideen von Freiheit und Menschenwürde zum illusionären Schein vormoderner Gesellschaftsformationen herabsinken."

Riedel 1988, S. 169.

Pinker: Willensfreiheit und Zufall

"Wir würden jemanden nicht für schuldig befinden, wenn sein Finger den Abzug betätigt hat, während der mechanisch mit einem Rouletterad verbunden war - warum sollten wir anders denken, wenn das Rouletterad sich im Kopf befindet?"

Pinker 2012, S. 75.